„Wir wollen darüber sprechen, wie stark die soziale Herkunft Zugänge und Karriere beeinflusst und die Kunstproduktion von ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital abhängig ist.“
 

Im Browser ansehen | Open in browser
 English version below

neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK), www.ngbk.de

„Wir wollen darüber sprechen, wie stark die soziale Herkunft Zugänge und Karriere beeinflusst und die Kunstproduktion von ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital abhängig ist.“
 


nGbK-Arbeitsgruppe Klassenfragen:
Frauke Boggasch, Silke Nowak, Anna Schapiro, Anna-Lena Wenzel, Norbert Witzgall
 

neue Gesellschaft

für bildende Kunst


Klassenfragen

Kunst und ihre Produktionsbedingungen

 



Ausstellung und Veranstaltungsprogramm:
25. November 2022 – 9. Januar 2023
Das Projekt ist eine Kooperation zwischen der nGbK und der Berlinischen Galerie,
in deren Räumlichkeiten die Ausstellung realisiert wird.

Sie sind herzlich eingeladen zur Eröffnung am 24. November 2022, ab 19 Uhr
mit Reden und einer temporären Installation


Künstler_innen:
Douglas Boatwright, Frauke Boggasch, Verena Brakonier / Greta Granderath / Jivan Frenster, Vlad Brăteanu, Margit Czenki für ‚Der goldene Engel – Pro System’ mit ‚Die Mission – künstlerische Maßnahmen gegen die Kälte e.V.‘, Karolina Dreit / Kristina Dreit / Anna Trzpis-McLean (Arbeitszyklus Working Class Daughters), Paul Goesch, Martin Elmar de Haan / Anonym, Hannah Höch, Matthias Horn, Marion Lebbe / Caroline Sebilleau / Emmanuel Simon, Liang Luscombe, Franziska König, Silke Nowak, Verena Pfisterer, Jelka Plate, Karin Powser, Arthur Segal, Christian Specht, Margret Steenblock / ClaraRosa, Anna Schapiro, Hito Steyerl / Giorgi Gago Gagoshidze / Miloš Trakilović, Gabriele Stötzer, Mika Svolos, Gülbin Ünlü, Anna-Lena Wenzel, Norbert Witzgall
 

Programm

So, 13. November 2022
11–18 Uhr (de)
Class Matters
Workshop mit Francis Seeck – mit Anmeldung
Ort: Stadtwerkstatt, Karl-Liebknecht-Straße 11, 10178 Berlin
Do, 24. November 2022
19 Uhr (de/en)
Ausstellungseröffnung
mit Reden von Thomas Köhler (BG) / Klaus Lederer (Senator für Kultur und Europa) / Annette Maechtel (nGbK) / nGbK-Arbeitsgruppe Klassenfragen
und einer temporären Installation von Karolina Dreit / Kristina Dreit / Anna Trzpis-McLean (Arbeitszyklus Working Class Daughters)
So, 4. Dezember 2022
15 Uhr (de/en)
Paradoxien des Künstler_innendaseins
Podiumsdiskussion mit der AG Klassenfragen, Marina Schulze und einer Performance von MYSTI
Moderation: Jacqueline Saki Aslan; Ort: Auditorium der Berlinischen Galerie
Mo, 5. Dezember 2022
14–15 Uhr (de)
Öffentliche Führung
mit der AG Klassenfragen
So, 8. Januar 2023
15 Uhr (de)
Praxen der Umverteilung
Podiumsdiskussion mit Verena Issel, Mareice Kaiser, Martina Witte und einem Input von Jelka Plate
Moderation: Jacqueline Saki Aslan; Ort: Auditorium der Berlinischen Galerie
Mo, 9. Januar 2023
14–15 Uhr (de)
Öffentliche Führung
mit der AG Klassenfragen
Mo, 9. Januar 2023
19 Uhr (en)
Navigating an Unjust System
Online-Podiumsdiskussion – mit Anmeldung
mit Douglas Boatwright, Vlad Brăteanu, Franziska König, Liang Luscombe und einem Input von Michael Annoff
Moderation: Jacqueline Saki Aslan
Im Arbeitsfeld Kunst treffen extreme Klassenunterschiede aufeinander. Dem Karriereversprechen des Kunstmarktes stehen die häufig prekären Lebensrealitäten und Produktionsbedingungen von Künstler_innen gegenüber, hinter dem sichtbaren Glamour lauern verschwiegene Armut und Abhängigkeitsverhältnisse. Wie stark Herkunft Zugänge und Karriere beeinflusst und die Kunstproduktion von ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital abhängig ist, wird in dieser Ausstellung thematisiert.

Dazu bringt Klassenfragen Werke aus der Sammlung der Berlinischen Galerie mit zeitgenössischen Positionen zusammen, von Zeichnungen und Malerei über Rauminstallationen bis hin zu filmischen Arbeiten und Hörstücken. Entlang von fünf inhaltlichen Strängen wurden Arbeiten ausgewählt, die Erfahrungen struktureller Benachteiligung beleuchten und Fragen verhandeln, die Klassismus im Kunstfeld aufwirft.

Dabei wird bewusst eine intersektionale Perspektive eingenommen und Klassismus mit Rassismus, Sexismus und Ableismus zusammengedacht, denn oft verzahnen sich verschiedene Diskriminierungsformen. Die Folgen dieser Diskriminierungserfahrungen können sich in Selbstzweifeln äußern oder auf die psychische Gesundheit auswirken. Liang Luscombe verdeutlicht diese Zusammenhänge in ihrer surrealen Video-Satire: Als Weg aus der Verschuldung erwägen die Protagonistinnen Plünderungen, die Flucht ins karibische Steuerparadies, ja selbst den Verkauf der eigenen Zähne.

Herkunft als Hindernis: Wenn die soziale Herkunft den Zugang zu Ausbildungsinstitutionen, Ausstellungsmöglichkeiten oder Förderungen erschwert, spricht man von Klassismus. Das kann mit mangelnden finanziellen Ressourcen ebenso zu tun haben wie mit fehlenden Kontakten oder mangelnden Kompetenzen zum Erstellen von Förderanträgen. Dabei sind Förderungen von entscheidender Bedeutung für eine Künstler_innenkarriere. Ihre Bedeutung benennt Vlad Brăteanu auf seinem Banner mit dem Spruch „Ein Künstler ohne Förderung ist kein Künstler“.

Produktionsbedingungen: Wie kann man Kunst machen, wenn weder Geld noch Raum zur Verfügung stehen? In der Ausstellung werden Werke gezeigt, die die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen im Kunstfeld verhandeln und dokumentieren. So mussten sich viele Künstler_innen aus finanziellen Gründen auf kleine Formate beschränken. Andere Vorhaben enden im Entwurfsstadium. Die Beiträge von Douglas Boatwright oder Verena Pfisterer veranschaulichen künstlerisches Arbeiten in prekären Verhältnissen: Wenn der Drucker nicht mehr funktioniert, zeigt der „Fehldruck“ den wortwörtlichen Druck der fehlenden Mittel. Wenn es keine Möglichkeit gibt, eine raumgreifende Installation zu realisieren, bleibt es bei der Ideenskizze im Kleinformat. Die Wandlabels sind dabei bewusst Teil des Ausstellungskonzepts: Sie geben Aufschluss über die tatsächlichen Produktionskosten einiger Arbeiten, Berufe der Eltern, die Anzahl der beantragten Förderungen oder Nebenjobs.

Kunstmarkt: Das Kunstfeld ist durch eine paradoxe Gleichzeitigkeit geprägt. Während die Arbeiten einiger weniger Künstler_innen astronomische Preise erzielen, arbeiten andere unter prekären Bedingungen und finanzieren sich durch Jobs auf Mindestlohn-Niveau. Die Sprecherin des Berliner berufsverbands bildender künstler_innen (bbk), Frauke Boggasch, zeigt die Absurditäten des Lebens in der Kunstszene anhand ihrer Aufnahmen vom langersehnten Stipendienaufenthalt in Paris, wo ihre, wenn auch kurzzeitigen, Privilegien auf fehlende Zugänge von Menschen treffen, die auf der Straße leben.

Leerstellen: Über viele Probleme wird aus Scham geschwiegen. So ist beispielsweise (Alters-)Armut selbst im sich häufig als progressiv und kritisch verstehenden Kunstbetrieb ein Tabuthema. Neben zahlreichen lebenden Kunstschaffenden war auch Hannah Höch davon betroffen, deren Arbeiten sich in der Sammlung der Berlinischen Galerie befinden. Deutlich wird dies anhand von ausgestellten Briefen von Künstler_innen über sechzig, die sich während der Corona-Pandemie um Fördergelder bewarben. Zu sehen sind darüber hinaus Arbeiten von Künstler_innen ohne akademische Ausbildung und solchen mit körperlichen oder mentalen Beeinträchtigungen – Positionen, die aufgrund von Zugangsbeschränkungen häufig unsichtbar bleiben.

Handlungsoptionen: Die Ausstellung endet mit der Frage nach Handlungsoptionen, Klassismus entgegen zu wirken und Wege zu einer solidarischeren Kunstwelt aufzuzeigen. Dazu zählen beispielsweise die Bemühungen, Produktionsbedingungen transparent zu machen, nur noch im Kollektiv zu arbeiten (wie die Gruppe La Buse), oder mittels anonymisierter Produktion dem idealisierten Bild des_der individualisierten Künstlers_in eine gemeinschaftliche Praxis entgegenzustellen.
Die Ausstellung wird um ein Filmprogramm im IBB-Videoraum der Berlinischen Galerie ergänzt. Begleitend finden ein Veranstaltungsprogramm und ein Workshop statt.

Mitglieder der nGbK sowie Künstler_innen haben
nach Vorlage ihrer gültigen Nachweise freien Eintritt.
Ausstellungsort:
Berlinische Galerie
Alte Jakobstraße 124–128
10969 Berlin

Öffnungszeiten:
Mi–Mo 10–18 Uhr
Di geschlossen
Gefördert von der LOTTO-Stiftung Berlin und der Senatsverwaltung für Kultur und Europa


 
“We want to talk about how strongly social background influences access and careers, and how art production is largely dependent on economic, social, and cultural capital.”

 

neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK), www.ngbk.de

“We want to talk about how strongly social background influences access and careers, and how art production is largely dependent on economic, social, and cultural capital.”

 


nGbK project group Class Issues:
Frauke Boggasch, Silke Nowak, Anna Schapiro, Anna-Lena Wenzel, Norbert Witzgall
 

neue Gesellschaft

für bildende Kunst


Class Issues

Art Production In and Out of Precarity



Exhibition and event program:
November 25, 2022 – January 9, 2023
The project is a cooperation of the nGbK and the Berlinische Galerie, where the exhibition will be realized.

You are cordially invited to the opening on November 24, 2022, from 19:00
with speeches and a temporary installation


Artists:
Douglas Boatwright, Frauke Boggasch, Verena Brakonier / Greta Granderath / Jivan Frenster, Vlad Brăteanu, Margit Czenki for ‘Der goldene Engel – Pro System’ with ‘Die Mission – künstlerische Maßnahmen gegen die Kälte e.V. ’, Karolina Dreit / Kristina Dreit / Anna Trzpis-McLean (Arbeitszyklus Working Class Daughters), Paul Goesch, Martin Elmar de Haan / Anonym, Hannah Höch, Matthias Horn, Marion Lebbe / Caroline Sebilleau / Emmanuel Simon, Liang Luscombe, Franziska König, Silke Nowak, Verena Pfisterer, Jelka Plate, Karin Powser, Arthur Segal, Christian Specht, Margret Steenblock / ClaraRosa, Anna Schapiro, Hito Steyerl / Giorgi Gago Gagoshidze / Miloš Trakilović, Gabriele Stötzer, Mika Svolos, Gülbin Ünlü, Anna-Lena Wenzel, Norbert Witzgall
 

Program

Sun, November 13, 2022
11:00–18:00 (de)
Class Matters
Workshop with Francis Seeck – with registration
Location: Stadtwerkstatt, Karl-Liebknecht-Straße 11, 10178 Berlin
Thu, November 24, 2022
19:00 (de/en)
Exhibition opening
with speeches by Thomas Köhler (BG) / Klaus Lederer (Senator for Culture and Europe) / Annette Maechtel (nGbK) / nGbK project group Klassenfragen
and a temporary installation by Karolina Dreit / Kristina Dreit / Anna Trzpis-McLean (Arbeitszyklus Working Class Daughters)
Sun, December 4, 2022
15:00 (de/en)
Paradoxien des Künstler_innendaseins
Panel discussion with the project group Class Issues, Marina Schulze, and a performance by MYSTI
Moderation: Jacqueline Saki Aslan; Location: Berlinische Galerie Auditorium
Mon, December 5, 2022
14:00–15:00 (de)
Guided tour
with the project group Class Issues
Sun, January 8, 2023
15:00 (de)
Praxen der Umverteilung
Panel discussion with Verena Issel, Mareice Kaiser, Martina Witte, and a contribution by Jelka Plate
Moderation: Jacqueline Saki Aslan; Location: Berlinische Galerie Auditorium
Mon, January 9, 2023
14:00–15:00 (de)
Guided tour
with the project group Class Issues
Mon, January 9, 2023
19:00 (en)
Navigating an Unjust System
Online panel discussion – with registration
with Douglas Boatwright, Vlad Brăteanu, Franziska König, Liang Luscombe and a contribution by Michael Annoff
Moderation: Jacqueline Saki Aslan
Extreme class differences collide within the field of art. The promise of an art-world career is often accompanied by lived realities and conditions of production entrenched in precarity; behind the glamorous image of the artist lurk shrouded poverty and relations of dependence. The exhibition Class Issues – Art Production In and Out of Precarity explores how strongly one’s background influences access and careers, thematizing the ways in which art production is largely dependent on economic, social, and cultural capital.

To this end, Class Issues brings together works from the collection of the Berlinische Galerie with contemporary positions—from drawings and paintings to installation, video, and audio works. Along five thematic strands, works have been selected that illuminate experiences of structural disadvantages while negotiating questions posed by the presence of classism within the field of art.

In doing so, classism is considered alongside racism, sexism, and ableism, adopting an intersectional perspective in recognition of the fact that different forms of discrimination are often interlocked. The consequences of such experiences of discrimination can negatively impact mental health or manifest themselves in self-doubt. Liang Luscombe’s fabulative video satire illustrates these connections: as a way out of debt, the protagonists consider looting, selling their own teeth, or fleeing to a Caribbean tax haven.

Classism and Access: When one’s background impedes access to educational institutions, exhibition opportunities, or funding, classism is usually at play. This has as much to do with a lack of financial resources as it does with having insufficient contacts or knowledge required to write grant applications. Yet, funding is a crucial factor for an artist's career; Vlad Brăteanu names its importance on his banner declaring “An artist without funding is no artist”.

Conditions of Production: How can one make art when neither money nor space is available? The exhibition presents works that negotiate and document the precarious working and living conditions within the field of art. For example, many artists are limited in format and materials according to the availability of resources—or lack thereof. Meanwhile, other bodies of work perpetually remain in the proposal stage. Projects by Douglas Boatwright and Verena Pfisterer make the act of working in and out of precarity tangible: when the printer malfunctions, the “misprint” literally indexes the lack of resources; when there are no means to realize the expansive installation, a small-format concept sketch is all that remains. The exhibition concept deliberately includes the wall labels, providing information about the actual production costs of some of the works, the artist’s parents’ occupation, applications for funding, or the number of jobs the artist had to take on in order to support themselves.

Art Market: The field of art is characterized by a paradoxical simultaneity. While the works of a few artists fetch astronomical prices, others work under precarious conditions and finance themselves through jobs at minimum-wage level. The spokesperson for Berlin’s professional association of visual artists (bbk), Frauke Boggasch, shows the absurdities of life in the art scene via recordings of her long-awaited fellowship and residency in Paris, where her privileges, albeit short-lived, clash with the lack of access for people living on the streets.

Areas of Neglect: Many problems remain unvoiced out of shame. For example, (old-age) poverty is a taboo subject in an art world that often sees itself as critical and progressive. It even affected Hannah Höch, whose works are some of the most prominent within the collection of the Berlinische Galerie, and it continues to impact numerous artists living today, as witnessed in letters from artists over sixty who applied for funding during the Corona pandemic. Also on view are works by artists without academic training and those with physical or mental impairments—positions that, due to the barriers of entry, often remain invisible.

Options for Action: The negotiation of class issues leads to questions surrounding potential courses of action that could counter classism. This includes efforts to make production conditions transparent; for example, the members of La Buse choose to only work collectively, positioning themselves against the idealized image of the individualized artist via a communal practice of anonymized production.
 
Class Issues will be complemented by a film program in the IBB video room of Berlinische Galerie, as well as by a program of events and workshop aimed at expanding the themes taken up in the exhibition.

Admission is free for members of the nGbK and for artists who can present proof of membership within recognized art associations.
Exhibition venue:
Berlinische Galerie
Alte Jakobstraße 124–128
10969 Berlin

Opening hours:
Wed–Mon 10:00–18:00
Tue closed
Funded by the LOTTO-Stiftung Berlin and the Senate Department for Culture and Europe